EINE PANDEMIE LEGT ALLES LAHM

Seit der Spanischen Grippe ist es, für die meisten Menschen, die erste große Pandemie, jedenfalls ist es die erste des 21.Jahrhunderts. Ein kleiner, mit freiem Auge nicht sichtbarer Erreger namens SARS-CoV-2 hat eine offene, globale Welt in einzelne, voneinander abgeschirmte, Nationalstaaten verwandelt, vorübergehend.

orf.at titelt: “Tourismus steuert ins Ungewisse” und setzt in seiner Einleitung fort: “Wo unlängst noch Besuchermassen aufeinandergeprallt sind, herrscht Leere, der Flugbetrieb ist großflächig eingestellt worden, Grenzen sind geschlossen. Kreuzfahrtschiffe, die schon länger unterwegs sind, irren auf der Suche nach einem Zielhafen herum, andere legen gar nicht mehr ab. Die Coronavirus-Pandemie hat den Tourismus zum Erliegen gebracht, dürfte ihn aber, wenn die Krise einmal abgeebbt ist, neu schreiben.

REISEN IST BEWEGUNG

Reisen ist und war nie “statisch”, wird es auch niemals sein, es wäre ein Widerspruch in sich selbst, denn Reisen ist immer Bewegung. Das Sammeln von Erfahrungen, Eindrücken, Wahrnehmung mit allen Sinnen. Es ist nicht nur physisch ein dynamischer Prozess sondern auch psychisch. Begegnung verändert – wer fremden Kulturen begegnet der verändert und wird verändert. Reisen ist keine Einbahnstraße, Reisender und Bereister sind in einem Wechselspiel.

Der Mensch reist seit es ihn gibt, auch der “Sesshafte” bricht von Zeit zu Zeit, wenn auch nur vorübergehend, zu fremden Zielen auf. Migration ist alt, bereits vor 30.000 Jahren sind Menschen von Zentralasien bis Patagonien gewandert. Die Wikinger ruderten von den Küsten Skandinaviens bis Neufundland und haben ihre Boote, wenn notwendig, auch über Land geschleppt, zum Beispiel um in das heutige Russland vorzudringen. Pilger aller Religionen sind Tausende von Fußkilometern gepilgert, teils auf Knien gerutscht, um ihr Seelenheil zu finden. Händler und Abenteuer waren auf den Seidenstraßen des Landes und jenen des Meeres unterwegs. Zur Zeit von Heinrich dem Seefahrer wurde, auf der Suche nach der Gewürzroute nach Indien, der Grundstein für die Entdeckung Amerikas gelegt, das Christopher Kolumbus 1492 betreten sollte. Der Mensch ist ein Reisender.

 Ungewissheit gehört zum Reisen dazu

Die Briten waren die Pioniere des heutigen Massentourismus. Im 16.Jahrhundert schickte der Adel seinen Nachwuchs auf die sogenannte “Kavaliersreise”, die Sprösslinge sollten sich bilden, Ziel war meist Italien.  Im 18.Jahrhunder machte sich auch Goethe auf den Weg und hielt seine Erlebnisse in der “Italienischen Reise” fest, später im Zeitalter der Romantik, im 19.Jahrhundert, prägte die „Sehnsucht nach dem Unendlichen“, das Reisen der bürgerlichen Schicht. 1827 wurde der Verlag Baedeker gegründet, 1845 öffnete das erste Reisebüro, Thomas Cook, seine Pforten. Damit begann, was wir heute als Tourismus bezeichnen. Wer nun glaubt, dass der Tourismus in seinen Kinderschuhen eine vorhersagbare Sache war, der möge Reiseberichte der damaligen Zeit lesen.

 Die Sache mit dem Fernweh

„Der Mensch ist von jeher durch Neugierde und Fernweh geprägt, in sämtlichen Epochen spielte das eine große Rolle. Reisen ist ein Menschheitstraum.“ Reisefreiheit sei lange erkämpft worden – der „Global Code of Ethics“ der World Tourism Organization formulierte das im Jahr 1999 als Grundsatz.

Reisefreiheit ist ein wichtiges Gut, denn das Fernweh trägt der Mensch in sich und nichts kann diese Sehnsucht nehmen. Restriktionen können dieses Gefühl nicht stilllegen, ganz im Gegenteil, wenn ein tiefer Wunsch aufgrund eines Verbots sich nicht erfüllen kann, dann wird er nur noch größer und erfüllt schließlich den ganzen Menschen mit dem unstillbaren Verlangen, ihn zu realisieren.

 Corona und Reisen

Aktuell ist es die Vernunft, die den Reisenden zu Hause hält. Das bedeutet nicht, dass er das gerne tut. Auf der ganzen Welt sitzen Menschen in ihren Häusern, die wissen wie weit die Welt sein kann, die Fernweh in sich tragen, von vergangenen Reisen träumen und sich wünschen bald wieder die Koffer zu packen. Die Reisebüros, jene Dienstleister, die diese Träume normal in die Realität umsetzen, müssen aufgrund dieser Vernunft ihre Dienste vorübergehend einstellen. Das geht auch an ihnen nicht spurlos vorbei, bei vielen geht es an die Substanz. Von der Fluglinie über das Hotel bis zum Reisebüro ist jeder dieser Dienstleister von der “Vernunftstarre” betroffen, auch wirtschaftlich.

 Sollte sich “Reisen” in dieser Zeit reflektieren?

Eine Zeit der erzwungenen Ruhe ist eine Pause die kreativ genützt werden kann und soll, also ja, natürlich sollten man diese Phase nützen und über das Reisen nachdenken. Die verordnete Klausur ist eine gute Gelegenheit für die Sinnfrage. Sinn von Unsinn trennen, darüber nachdenken was “reisen” eigentlich ist und wo die Zukunft hingehen soll. Kann es nachhaltiger und besser werden? Mehr Qualität als Quantität? Reisen ist mehr als die bloße Fortbewegung von einem Punkt zu einem anderen, es ist Begegnung, mit Menschen, Kulturen, Landschaften, mit dem Fremden an sich. Auf Reisen trifft man auf “Unbekanntes”, Menschen mit anderer Kultur, Sitte und Brauch, Landschaften, Stimmungen. Diese Begegnungen lösen etwas aus, jedenfalls sollten sie das, denn nur dann nimmt man „dieses Neue“ mit nach Hause. Reisen dienen auch der Völkerverständigung, und sie inspirieren, sie geben die Gelegenheit unbekannte Dinge zu entdecken, vielleicht zu verstehen,  so dass sie, transformiert, zu Hause anwendbar werden. Qualitative Studienreisen können das vermitteln, sie sind die Reisen der modernen Entdecker, jener Menschen, die etwas mehr als schöne Schnappschüsse oder das perfekte Selfie mit nach Hause nehmen wollen.

 Mehr Qualität, weniger Konsum

Reisen ist immer mehr zum Konsumartikel geworden. In jedem Segment sind Billiganbieter wie Pilze aus dem Boden geschossen, das ist nicht nur von Vorteil. Es ist kein guter Weg, wenn Menschen “die wertvollste Zeit des Jahres” in Form eines “billigen Schnäppchens” zubringen. Es führt zur Überlastung der Infrastruktur vor Ort und es geht auf Kosten der Qualität. Weniger ist manchmal mehr und man muss nicht immer reich sein um “mehr” zu bekommen. Es gab eine alte Dame aus Floridsdorf, Mindestpensionistin. Sie strickte 365 Tage Pullover um sich eine Studienreise pro Jahr leisten zu können. Unterwegs war sie wie ein Schwamm, sie saugte jeden Moment, jeden Eindruck und jede Information auf, sie war glücklich, verschwitzt und staubig auf einer Pyramide zu stehen, die Weite zu sehen und 1001 Frage zu stellen, es war eine Freude ihr diese zu beantworten.

 Zeit zum Neudenken

Man sollte Corona nicht nur als “Krise” sehen, es ist auch Herausforderung und Chance manche Dinge in Zukunft besser zu machen. Der Tourismus ist vielfältig, vom Badeurlaub über die Trekkingtour bis zur Studienreise gibt es viele verschiedene Formen des Reisens. Jede hat ihre Berechtigung aber jede muss sich hinterfragen wie positiv ihr “Fußabdruck” ist.

Ökotourismus muss nicht nur ein Schlagwort sein. Laut Definition ist diese Form des Tourismus “eine verantwortungsvolle Form des Reisens in naturnahe Gebiete, die die Umwelt schützt, zum Wohlergehen der ansässigen Bevölkerung beiträgt sowie Naturvermittlung und Bildung umfasst.” Das ist ein guter Ansatz. Auch so könnte Reisen sein. Entstanden ist die Idee in den 1960er Jahren in den USA. Namibia war 1990 eines der ersten Länder der Erde, das dem Umweltschutz einen Verfassungsschutz einräumte. Costa Rica ist ebenfalls auf einem guten Weg und auch in Europa kommt es regional zu einem Umdenken. Bisher ist der Ökotourismus am ökonomischen Denken gescheitert. Die Teile der Reisebranche, die den Massentourismus präferieren und daher auf Schnäppchen setzen, machen es den verantwortungsvollen Veranstalter, die ihr Konzept auf die Erfordernisse des Ökotourismus abgestimmt haben schwer, sie leiden unter diesem Konkurrenzdruck. Jetzt, wo alles stillsteht, könnte man darüber nachdenken.

Das ist sicher, denn auf Dauer kann virtuelles Reisen das persönliche Erleben, welches alle Sinne erfasst, nicht ersetzen. Es bietet in Zeiten von ‚Social Distancing‘ und den daraus resultierenden Bewegungseinschränkungen die Möglichkeit, Reiseerlebnisse im Kopf zu haben aber der Tourismus lebt von realer menschlicher Interaktion; es ist das Erleben mit allen Sinnen, die eine Reise zum richtigen Erlebnis machen. Das wird die Menschen auch in Zukunft zum Reisen bringen. Zwischen Traum und Wirklichkeit ist ganz einfach ein Unterschied, wenn es um die weite Welt und das Reisen geht.

 Wir reisen aktuell virtuell aber wir werden wieder real reisen

Das ist sicher, denn auf Dauer kann virtuelles Reisen das persönliche Erleben, welches alle Sinne erfasst, nicht ersetzen. Es bietet in Zeiten von ‚Social Distancing‘ und den daraus resultierenden Bewegungseinschränkungen die Möglichkeit, Reiseerlebnisse im Kopf zu haben aber der Tourismus lebt von realer menschlicher Interaktion; es ist das Erleben mit allen Sinnen, die eine Reise zum richtigen Erlebnis machen. Das wird die Menschen auch in Zukunft zum Reisen bringen. Zwischen Traum und Wirklichkeit ist ganz einfach ein Unterschied, wenn es um die weite Welt und das Reisen geht.

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