Um Portugal zu verstehen muss man ein paar Dinge beleuchten. Dass Portugal zum Beispiel am Rand Europas liegt, ist mehr als eine geographische Tatsache, denn diese Lage hat sein Schicksal über hunderte Generationen bestimmt. Portugal schaut nicht auf den Kontinent, sondern auf das Meer. Indem es Europa den Rücken zukehrt, konnte es sich aus den großen Konflikten heraushalten oder dosiert teilnehmen. Das hat Portugal getan. Portugal hat sich im Goldenen Zeitalter seinen Reichtum auf dem Meer geholt, es wurde zu einer der großen Seefahrernationen der Welt. Entdecken bedeutet Innovation. Das „Século de Ouro“ ist daher der Schlüssel zum Verständnis des Landes, seines Weltgefühls und seiner Volksseele. Denn mit der Seefahrt wurde Portugal zu einer Weltmacht. Dieser Mythos des Goldenen Zeitalters ist lebendig und es ist noch immer der Motor, der die Portugiesen antreibt, auch in weniger guten Zeiten nach Neuem zu streben.

Heinrich der Seefahrer

Portugal verstehen über das Goldene Zeitalter

Die Epoche der Königsdynastie Avis, unter deren Banner der Aufbruch in Neue Welten stattgefunden hat, ist das Leitmotiv der portugiesischen Geschichte. Heinrich der Seefahrer ist sein bekanntester Protagonist. Denn, zwölf Jahre lang hatte Heinrich Schiffe ausgesandt, das „Mare Tenebrosum“ zu erkunden. Kein Kapitän hatte es zuvor gewagt, das gefürchtete Kap Bojador zu umschiffen, wo nach damaliger Vorstellung das Meer zu kochen begann. Erst Gil Eanes aus Lagos segelte mit seinem Schiff „Barcha“ über diese gefürchtete Grenze hinaus und machte damit den ersten Schritt zur Entdeckung des Seeweges nach Indien. Emanuel der Glückliche erntete schließlich die Früchte dieser Bestrebungen. Denn, der Handel mit Indien, China und die Besitzungen in Brasilien finanzierten die großen Meisterwerke der Manuelinik, das Kloster Batalha und das Jeronimuskloster von Belem. Portugal war damals eine Weltmacht.

Das Problem der portugiesischen Seele

Es kommt nicht von ungefähr, dass der Fado die Musik des portugiesischen Volkes ist. Wer Portugal verstehen will muss zuerst die „Saudade“ verstehen. Denn die Saudade ist Teil der Seele Portugals. Sie ist potenzierte Sehnsucht, manchmal Antrieb aber öfter Hemmnis und immer ein Weg aus der Realität hinaus. Die Saudade ist daher nicht zielgerichtet, sie bedarf der Erfüllung nicht, sie existiert um ihrer selbst willen. Traurigkeit und Weltschmerz sind ihre Hauptzutaten. Sie macht den Menschen allerdings „statisch“ und das ist das eigentliche Problem Portugals. Das Land hat aktuell keinen Heinrich der es zu neuen Ufern führt.

Ein ewig an Sehnsucht leidendes Volk, das fern von der Wirklichkeit lebt, weil es in gewissen Augenblicken eine heroische , aber falsche Wirklichkeit gelebt hat.

Salazar

Aber die Saudade hat auch ihre Vorteile. Portugal wird immerhin als Land der Poeten bezeichnet. Das stimmt, denn in der portugiesischen Literatur hatte die Poesie immer stärkeren Einfluss als die Prosa. Luís de Camões ist ein gutes Beispiel dafür. Er gilt als der bedeutendste Dichter Portugals und der portugiesischen Sprache. Sein Epos, die „Lusiaden“, ist ein wichtiges Werk der Renaissance. Es schildert in Versform, angelehnt an Homers Odyssee, eine idealisierte Geschichte Portugals. Protagonist des Werkes ist der portugiesische Seefahrer Vasco da Gama und den Schwerpunkt der Handlung bildet die Schilderung des neu entdeckten Seewegs nach Indien.

Portugal ist ein überschaubares Land

Der einzige weite offene Horizont, den das Land hat, ist das Meer. Das muss man im Kopf haben, wenn man Portugal verstehen will. Die Kontur der portugiesischen Landkarte ist kompakt und gradlinig. Im Westen der Iberischen Halbinsel gelegen, bildet Portugal ein Rechteck. Im Norden grenzt es an Galizien, im Osten an Kastilien, die Estremadura und Andalusien, der Rest ist Küste und Atlantik. Die Fläche ist mit etwa 92.000 Quadratkilometer etwas größer als Österreich, vielleicht vergleichbar mit Süddeutschland. Der westlichste Punkt des europäischen Festlandes ist das Cabo da Roca in der Nähe von Lissabon. Eine kleine Tafel weist darauf hin:

Westlichster Punkt Europas, wo das Land endet und das Meer beginnt. Und wo der Geist des Glaubens und des Abenteuers lebt, der die Karavellens Portugals hinführte zu neuen Welten für die Welt.

Cabo da Roca, Tafel

Die ersten Siedler Portugals waren Semiten, die von Afrika aus die Iberische Halbinsel okkupiert haben. Von jenseits der Pyrenäen drangen später Kelten ins Land und vermischten sich mit der autochthonen Bevölkerung – der Keltiberer war geboren. Von der Küste drangen dann die, ebenfalls semitischen, Phönizier ins Innere Portugals vor und brachten neue Techniken der Landwirtschaft mit. Nach einer Kollision mit den Römern teilten diese – Verwaltungsgenies par excellence – die Iberische Halbinsel in drei Provinzen: Tarragonensis, Betica und Lusitania. Letztere entspricht in etwa dem heutigen Portugal. Die Hauptstadt des römischen Lusitanien liegt heute allerdings in Spanien – Merida. Im Mittelalter kamen die Sueben (Schwaben) und Westgoten ins Land, dieser Menschentyp hat sich bis heute in den Portugiesen erhalten, denn die muslimischen Mauren, die Spanien stark prägten, spielen in der portugiesischen Geschichte keine so große Rolle.

Die frühen Bewohner Portugals

Die Dynastien Portugals

Portugal war bis ins 20.Jahrhundert ein Königreich, drei Dynastien regierten das Land: Burgund, Avis und Braganza. Die Burgunderkönige waren jene, unter denen sich im Kampf gegen die Mauren und Kastilien die portugiesische Unabhängigkeit herausbildete. Afonso Henriques ist der Gründer Portugals und die Wiege der Nation liegt in der Stadt Guimaraes. König Dinis hat dann mit seiner nüchternen und konstruktiven Staatspolitik das Reich konsolidiert. Bekannter und beliebter als der pragmatische Dinis ist allerdings König Pedro aufgrund der dramatischen Liebesgeschichte mit Ines de Castro, die kennt jeder Portugiese. Um Portugal zu verstehen muss man die wichtigsten Protagonisten dieser Dynastien kennen.

Ein unehelicher Sohn von Pedro wurde als Joao I. zum Begründer der zweiten Dynastie, dem Haus Avis. Zuvor war er Großmeister des nationalen Ritterordens von Avis gewesen, daher der Name. Seine Söhne bringen dann das Goldene Zeitalter. Dom Manuel I., genannt – „O Venturoso“, der Glückliche ist der bekannteste König aus diesem Haus, denn Heinrich der Seefahrer war nie König Portugals. Das Ende der Dynastie kommt schließlich mit dem jungen Träumer Sebastian, der in Marokko auf mysteriöse Weise verschwindet. Zwischen Avis und Braganza stehen die spanischen Habsburger, die von 1580 bis 1640 außer Spanien auch Portugal beherrschten.

Die Letzte Dynastie stellte einen Kaiser und war gleichzeitig das Ende des Königreiches

Die portugiesische Krone wird durch das Haus Braganza restauriert. Die Dynastie führt sich auf einen unehelichen Sohn von Joao I. zurück. Alfons von Braganza wurde 1377 geboren und war mit Beatritz, der Tochter von Nuno Álvarez Pereira verheiratet. Der Schwiegerpapa hatte damals immerhin die Schlacht von Aljubarrota und damit die Unabhängigkeit von Kastilien gewonnen. Mit Johann IV. klettert das Haus Braganza, nach dem Restaurationskrieg, auf den portugiesischen Thron. Einer der Hauptplätze Lissabons, die Praca dos Restauradores, erinnert an dieses Ereignis.

Mit dem Gold aus Brasilien konnten die Braganza für kurze Zeit an das Goldene Zeitalter anknüpfen. Mit Napoleon und der Loslösung Brasiliens zerplatzt die Blase. Im 19.Jahrhunder zerstreitet sich das Haus Braganza. Es entsteht die brasilianische Linie, vertreten durch Kaiser Peter II., die portugiesische Linie, vertreten durch Königin Maria II. und die Miguelisten, vertreten durch den Exkönig Michael, der nie auf seinen Thronanspruch verzichtet hat. 1910 flüchtet Manuel II. ins englische Exil und Portugal wird eine demokratische Republik.

Portugiesen und Spanier

Die Hauptakteure der Weltentdeckung, Portugal und Spanien, haben viel Gemeinsames. Bis ins Mittelalter waren sie immerhin eine politische Einheit und auch später verlief manches parallel: Die Reconquista und das Goldene Zeitalter. Trotzdem wollen die Portugiesen keine Spanier sein. So verschieden Fado und Flamenco sind, so verschieden ist die Mentalität der beiden Völker – zu verschieden um in einer Nation zu leben. Seit der Schlacht von Aljubarrota hat sich nichts geändert, die Portugiesen bevorzugen es eine kleine aber eigenständige Nation am Westzipfel der Iberischen Halbinsel zu sein. In Portugal mag man die Saudade, nicht das Offensive, wie es auch der Klang der beiden Sprachen widerspiegelt, Luis Camoes hat dieses Weiche, Melancholische in seiner Dichtung widergegeben:

Zerrinnen lass ich die gequälte Zeit und streue meine Sehnsucht ohne Ende am Meeresufer hin in Einsamkeit

Luis Camoes

Solche Zeilen würden einem Spanier vermutlich nicht einfallen, die Saudade liegt dem größeren Nachbarn nicht. Die Entdeckungen der Portugiesen sind vermutlich mehr der Neugier als dem Willen zur Eroberung geschuldet. Das war bei den Spaniern anders, sie kamen in die Neue Welt um sie zu unterwerfen. Gewinn machen wollten beide aber Portugal hat die Menschen der neuen Welt immer als Menschen betrachtet, während die Spanier sie als Tiere sahen. Die Beziehungen Portugals zu den Exkolonien sind dementsprechend gut. Als Brasiliens Ex-Präsident Kubitschek vor vielen Jahren Portugal besuchte, legte er in Guimaraes einen Kranz nieder. Die Portugiesen sind bodenständig und schlau aber selten aggressiv. Kriegerisch wurden sie nur, wenn es um ihre Nation ging, die haben sie im Laufe ihrer Geschichte mehrmals erfolgreich verteidigt.

Grab von Peter in Alcobaca

Ines und Peter – die große Liebesgeschichte Portugals

Alfonso IV. der Sohn von König Dinis und Santa Isabel verheiratete seinen, damals 20jährigen, Sohn Peter mit Constanze, der verstoßenen Gemahlin von Alfonso XI. von Kastilien. Ehen wurden zu dieser Zeit nicht aufgrund von Liebe geschlossen, sie dienten dem Königreich. Im Gefolge von Constanze war eine junge Galizierin, Ines de Castro – in dieses Mädchen verliebte sich Peter auf den ersten Blick. Der Papa schickte sie, als er die Liaison entdeckte, sofort nach Kastilien zurück. Peter gehorchte, heiratete Constanze und zeugte einen Thronerben. Allerdings starb Constanze bei der Geburt des Thronfolgers. Peter, nun Witwer, holte Ines aus Kastilien zurück und lebte mit ihr gemeinsam im Minho, wo sie ihm vier Kinder gebar. Papa war sauer und fürchtete um die portugiesische Unabhängigkeit. Als Peter die Brüder von Ines mit Posten und Ämtern versorgte, wandelte sich Papas Groll in offenen Ärger.

Der Grund warum Peters Vater den Auftrag zur Ermordung von Ines gab liegt in seiner Vergangenheit. Alfonso IV revoltierte gegen seinen Vater Dinis, weil dieser die beiden Bastarde Pedro und Afonso Sanches bevorzugte. Er musste fürchten, dass nicht er, sondern einer seiner Halbbrüder die Krone Portugals erben würde. Das hatte ihn empfindlich gegen Bastard-und Vetternwirtschaft gemacht. Nun erlebte er bei seinem Sohn eine ähnliche Konstellation, denn der Thronfolger Fernando wurde von Peter ignoriert, die Kinder die er mit Ines hatte, bevorzugte er dagegen. 1355 fällte Dom Afonso das Todesurteil, kurze Zeit später wurde der Mord an Ines de Castro ausgeführt. Ines wurde enthauptet.

Peter führt Krieg gegen seinen Vater

Peter führte nach der Ermordung von Ines gemeinsam mit ihren Brüdern Krieg gegen den Vater, musste sich aber letztlich unterwerfen. Er wurde gezwungen zu schwören, dass er den Tod von Ines verwinden und keine weitere Rache üben würde. 1357 verstarb Papa. Peter hatte mittlerweile eine neue Geliebte, Teresa Lourenco, die Mutter von Joao I. dem Begründer des Hauses Avis. Nach dem Tod seines Vaters fühlte sich Peter nicht mehr an das Versprechen, die Mörder von Ines zu schonen, gebunden. Er erwirkte ihre Auslieferung von Kastilien. Die Hinrichtung war grausam – er ließ sie am Marktplatz von Santerém öffentlich schinden, dann wurde ihnen das Herz herausgerissen und zu guter Letzt wurden sie verbrannt. Ab da trug er seinen Beinamen: Peter der Grausame.

Ines de Castro in Alcobaca
Mit Peter dem Grausamen endet der Glanz des Hauses Burgund

Anschließend ließ er die Leiche von Ines exhumieren und Adel und Klerus mussten einer in Purpur gekleideten, einbalsamierten Leiche die Ehre erweisen. Dann richtete er ein großes Staatsbegräbnis aus und Ines wurde in Alcobaca zur letzten Ruhe gebettet. Sein Sarkophag liegt gegenüber dem von Ines. Beim Grabmonument von Peter fällt auf, dass zu seinen Füßen kein Löwe ruht, sondern ein Hund mit breiten Halsband. Peter hat damit die Aussage getroffen, dass er sich nicht als König Portugals fühlte. Die zehn Jahre, die er dieses Amt ausübte, war er ein gerechter Herrscher, er starb mit siebenundvierzig Jahren. Nach ihm bestieg Fernando, der Sohn der ungeliebten Constanze den Thron. Er war der letzte Herrscher aus dem Haus Burgund.

Christusritterburg Tomar

„O Convento“ und die Entwicklung der Wissenschaft und Seefahrt

Die Bauherren von Tomar waren die Templer, die später im portugiesischen Christusritterorden aufgingen. Will man Tomar und die spätere Entwicklung der Seefahrt verstehen, muss man die Geschichte mit dem Templerorden beginnen. Die Notwendigkeit, die Pilger im Heiligen Land zu schützen, hat die Ritterorden ins Leben gerufen. Sie waren die eigentlichen Träger der Kreuzzugsbewegung, die zwei Jahrhunderte lang das Abendland in Atem hielt. Ordensritter kämpften sowohl auf dem Kriegsschauplatz Palästina als auch auf dem der Iberischen Halbinsel, denn die Reconquista war damals voll im Gange. Will man Portugal verstehen, dann darf man nicht darauf vergessen, wie eng die Bindung zwischen Kirche und König aufgrund der Reconquista war.

Die kämpfenden Orden auf europäischen Boden

Die Templer sind der bekannteste Orden und agierten international, sie kooperierten aber mit den lokalen Orden von Calatrava, Alcantara und Santiago in Spanien und dem Orden Avis in Portugal. Sie kämpften mit ihnen gegen die Mauren aber erwarben gleichzeitig Grund und Boden in den eroberten Gebieten. Hier bauten sie Burgen und Klöster. In Portugal war ihre Beziehung eng zum Königshaus. Der Templer Gualdim Pais hat mit Afonso Enriques 1147 bei der Eroberung von Santarém Seite an Seite gekämpft. Nach dem Fall von Santarém ging Pais ins Heilige Land und kämpfte im – unglücklich endenden – zweiten Kreuzzug. Nach Portugal zurückgekehrt, stieg er zum Ordensmeister der portugiesischen Templer auf und legte den Grundstein für die Burg von Tomar.

Die Templer und die Politik

Der Templerorden wurde 1119 gegründet. König Balduin gab ihm ein Quartier neben dem Tempelbezirk. Bernhard von Clairvaux streute den Templern damals Rosen in seiner Schrift: Lob für die neue Streitmacht. Papst Alexander III. legte die Ordensregel fest: Armut, Keuschheit und Gehorsam. Das rote Tatzenkreuz wurde zum Symbol des Ordens. Die meisten Templer waren Franken (Franzosen) und sie gewannen im Reich der Kapetinger großen Einfluss. Ihr Hauptsitz in Paris war gleichzeitig das Schatzhaus der Krone Frankreichs. Nach dem Fall von Akon waren die Templer aber plötzlich überflüssig. Philipp der Schöne von Frankreich war pleite, die Templer waren reich – das war ihr Untergang. Jacques de Molay landete mit seinen Rittern am Scheiterhaufen. Der Templerorden wurde aufgelöst. König Dinis in Portugal hatte die Intrige gegen die Templer genau verfolgt und machte ihnen ein Angebot: die Templer konnten Christusritter werden – damit kam ein Teil ihrer Schätze und all ihr Wissen nach Portugal.

Armillarsphäre vor dem Padrao dos Descobrimentos

Die Seefahrt wäre ohne das Wissen der Templer nie so schnell entwickelt worden

Will man Portugal verstehen muss man die Geschichte der Seefahrt begreifen. Der Gedanke der Missionierung und die Neugier waren der Antrieb für die Entwicklung der Seefahrt. Die Templer hatten im Heiligen Land die Geschichte der Arabischen Seefahrt gehört, sie hatten Seekarten gesehen auf denen der Weg nach Indien verzeichnet war und sie hatten die Bauweise der Daus und nautischer Geräte kennen gelernt. Dieses Wissen brachten sie nach Portugal mit. Es kommt nicht von ungefähr, dass Heinrich der Seefahrer, Vasco da Gama, Bartolomeu Dias und Pedro Alvarez Cabral eines gemeinsam hatten: Sie alle trugen das rote Tatzenkreuz des Christusritterordens auf der Brust. König Dinis hatte mit dem Christusritterorden den Grundstein zur späteren Entwicklung der Seefahrt gelegt.

Karavelle

Porto, Lissabon und das Haus Braganza

Portugal kann man auch über die Gegensätze seiner Regionen verstehen. Porto und Lissabon mögen einander nicht besonders. Die Leute aus Porto werfen Lissabon vor, dass es das Geld verjubelt, welches man im Norden sauer verdient. In Lissabon dagegen ist man der Überzeugung, dass die Menschen aus Porto zu ernst und arbeitsam sind und die aus Braga nur das Gebet im Kopf haben. Die Wiege der Nation, Guimaraes akzeptieren aber alle, auch wenn die Lissaboner finden, dass man dort etwas zu konservativ ist. Am Platz an der Avenida dos Aliados sitzt Peter IV aus dem Haus Braganza am Pferd. Peter war als Pedro IV. König von Portugal und als Pedro I. Kaiser von Brasilien. Seine Tochter, Maria II. hat die Börse von Porto ermöglicht. Maria war die letzte Herrscherin aus dem Haus Braganza in Portugal.

Das Haus Braganza im Zeitraffer

Die Geschichte der Braganza hat mit Karma zu tun. Pedro von Portugal, der Bruder Heinrich des Seefahrers, machte den Grafen von Barcelos, Nachkomme eines illegitimen Nachfahren von König Dinis, zum Herzog von Braganza. Wohl in der Hoffnung, dass dieser nun loyal wäre, bloß das Gegenteil war der Fall. Die Braganzas waren bekannt für ihre Intrigen. Nach der habsburgischen Periode kamen sie an die Macht. Joao IV. begründete 1640 die neue und letzte Königsdynastie Portugals. Das Gold und die Diamanten Brasiliens finanzierten ihre Regierung im Zeitgeist des Absolutismus. Kluge Minister, wie Marques de Pombal hielten sie an der Macht. 1699 traf in Lissabon das erste Schiff mit einer sensationellen Ladung an Gold und Diamanten ein. Peter II. war der reichste Monarch Europas, das beeindruckte das Volk. Der einzige fähige Herrscher der Dynastie war Peters Sohn, Joao V., der „Großherzige“. Alle Braganzas nach ihm, sind den Portugiesen in keiner guten Erinnerung.

Marques de Pombal – Minister und Kaufmann, der Retter Lissabons

Der Mann der Portugal wirklich lenkte und Lissabon nach dem Erdbeben von 1755 wieder aufbaute hat einen Namen den man sich nur schwer merken kann: Sebastiao José de Carvalho e Mello – kurz Marques de Pombal, das dagegen merkt sich jeder. Sein Lebenslauf ist beeindruckend: Studium in Coimbra, Botschafter in London, portugiesischer Gesandter in Wien und dann Außenminister. Er dachte kaufmännisch und förderte Handel und Manufakturen, außerdem gab er dem Bürgertum Zugang zum Handel. Lissabon war damals die Hauptstadt eines Weltreiches und galt als eine der prächtigsten Handelsmetropolen Europas. Das Erdbeben von 1755 beendete das mit einem Tsunami. Die Stadt war ein Trümmerhaufen. Mit ihrem Wideraufbau setzte sich der Marques von Pombal ein Denkmal. Ohne ihn gäbe es heute kein Lissabon. Ab 1756 war er – als Dankeschön für den Wiederaufbau – erster Minister Portugals. Er führte Portugal in die Moderne.

Salazar ist nicht so einfach zu erklären

António de Oliveira Salazar kommt aus dem Volk, denn sein Vater war ein einfacher Landarbeiter in Vimieiro, der sich später ein kleines Stück Land erarbeitete und eine Herberge darauf baute. Salazar ging im jesuitischen Priesterseminar von Viseu zur Schule, denn das war für ihn der einzige Weg zum Studium. Die Studiengebühren für Coimbra verdiente er sich als Lehrer. In Coimbra bringt er es dann zum Ordinarius der Nationalökonomie und Finanzwissenschaft. Unter General Carmona wurde er Presidente de Conselho. Es ist außergewöhnlich dass das Militär einen Zivilisten auf den höchsten Posten befördert und ihm noch dazu freie Hand gibt. Es hat aber funktioniert – Carmona und Salazar waren ein gutes Team. Salazar sanierte tatsächlich den Staatshaushalt Portugals, hinterließ aber letztlich ein wirtschaftlich zerrüttetes Land.

Der Diktator war ein Sparefroh

António de Oliveira Salazar war sparsam. Selbst Dienstreisen bezahlte er aus der eigenen Tasche. Sein sprichwörtliche Geiz wurde ihm 1968 allerdings zum Verhängnis. Ein alter Stuhl brach unter ihm zusammen. Dabei verletzte sich der Diktator so schwer am Kopf, dass er einen Hirnschlag erlitt. Niemand wagte es, Salazar davon in Kenntnis zu setzen, dass er nach dem Unfall nicht mehr im Amt war. Ganze zwei Jahre dachte Salazar noch, dass er weiterhin die Amtsgeschäfte führen würde, doch da war sein Nachfolger Marcelo Caetano längst im Amt. Am 27. Juli 1970 starb der Diktator schließlich. 2007 wurde Salazar von den Zuschauern des Staatsfernsehens RTP in der Endrunde von allen „großen Portugiesen“ der Geschichte zum Allergrößten gewählt. Mit den hier erreichten einundvierzig Prozent könnte Salazar – wäre er noch am Leben – jederzeit eine Regierung bilden. Manchmal ist Portugal nicht so leicht zu verstehen.

Die Portugiesen haben ein „besonderes“ Verhältnis zu Salazar

Salazar war so etwas wie ein „Übervater“, der sein Land paternalistisch regierte. Der autoritäre, menschenscheue und überaus sparsame Antonio de Oliveira Salazar lenkte das Schicksal Portugals als Diktator 36 Jahre lang. Salazar glaubte Zeit seines Lebens, zum Wohle Portugals zu handeln und trieb sein Land doch in die Isolation und den wirtschaftlichen Ruin. Im Juli 1932 wurde Salazar zum Ministerpräsidenten ernannt. Dieses Amt hatte er dann 36 Jahre lang. Er nannte sein Regime „Estado Novo“ und gab ihm 1933 eine neue Verfassung. Obwohl diese ein Präsidialsystem festschrieb, lag die eigentliche Gesetzgebungskompetenz bei Salazar. Jegliche Kritik am Regime erstickte er im Keim. So gab es Pressezensur, ein Verbot aller Parteitätigkeit und einen für seine Brutalität berüchtigten Polizeiapparat, der Kommunisten und Kritiker gnadenlos verfolgte. Trotzdem mag man ihn in Portugal noch immer. Manches ist an Portugal schwer zu verstehen.

Fatima begreifen heißt auch Portugal besser verstehen

Auf einer öden Hochfläche hatten am 13.Mai 1917 drei Hirtenkinder, Luzia, Jacinto und Francisco, die Vision der „Virgem do Rosário“, der Jungfrau vom Rosenkranz. Sie erschien ihnen in einer Steineiche. Die Erscheinung wiederholte sich mehrmals, jeweils am dreizehnten der nächsten fünf Monate. Die Kinder beschrieben Maria als wunderschönes Mädchen von rund siebzehn Jahren, leuchtender als die Sonne. Am letzten Erscheinungstag, am 13.Oktober 1917 sahen dort etwa siebzigtausend Menschen das Wunder der rotierenden Sonne. 1928 baute man in Fatima eine neobarocke Kirche und legte einen Vorplatz mit 152.000 Quadratmetern an. Das ist etwa doppelt so groß wie der Petersplatz in Rom. 2007 hat man dann die neue Basilika zur Heiligsten Dreifaltigkeit eingeweiht. Mit etwa 9.000 Sitzplätzen ist sie (bisher) der größte Kirchenbau des 21.Jahrhunderts.

Fatima

Fatima kam für die Kirche genau zur richtigen Zeit

Bei ihrer dritten Erscheinung, am 13. Juli, verkündete Maria nach Angaben der Kinder die „Geheimnisse von Fátima“. Unter anderem sagte die Gottesmutter zweien von ihnen einen frühen Tod und dem dritten ein langes Leben voraus. Am 4. April 1919 wurde Francisco Marto, zehn Monate später seine kleine Schwester Jacinta von der Spanischen Grippe dahingerafft. Ihrer Cousine Luzia war dagegen ein langes Leben beschieden, sie wurde fast 98 Jahre alt. Weltliche Historiker erklären die Erscheinungen von Fátima gern mit den unruhigen Zeiten, die Portugal nach der Abschaffung der bankrotten Monarchie 1910 durchlebte. Die Republikaner führten einen heftigen Kulturkampf gegen die Kirche, deren Güter und Schulen verstaatlicht wurden und deren Personal in Gefängnissen verschwand. Die Kirche brauchte damals ein „Erlebnis der Hoffnung und Integration“ – genau das war Fatima und ist es bis heute. Das Verhältnis zur Kirche ist einer der Schlüssel um Portugal zu verstehen.

Das Heiligtum von Fatima und Luzia, Francisco und Jacinto

Will man Portugal verstehen, ist das Verhältnis zwischen Kirche und Portugiesen ein Thema

In der Zeit der der portugiesischen Könige war Kirche und König eng miteinander verbunden. Diese Tradition entstand aus dem gemeinsamen Kampf gegen die Mauren. Der Begründer der Nation, Afonso Henriques war mit Bernhard von Clairvaux befreundet, Alcobaca war die erste große Zisterzienserabtei Portugals. Der Templer Gualdim Pais hat mit Afonso Enriques 1147 bei der Eroberung von Santarém Seite an Seite gekämpft. Krone und Kirche war fast 1000 Jahre lang eine Einheit. Dann kam der Marques von Pombal und löste den Jesuitenorden auf und später enteigneten die Republikaner Kirche und Klerus. Die Kirche war um 1910 pleite und vom Volk abhängig. Ein Wunder, wie das von Fatima, war Teil dieser Überlebensstrategie, denn die Volksreligiosität sicherte ab dem 20.Jahrhunder das Wohl der katholischen Kirche Spaniens. Eine Kirchensteuer gibt es in Portugal nicht.

Portugal ist konservativ, Lissabon ist weltoffen

Wer Lissabon besucht erlebt eine weltoffene Stadt aber Lissabon ist nicht Portugal, es ist nur sein Tor zur Welt. Hinter dieser Tür liegt ein konservatives Land, das muss man wissen um Portugal zu verstehen. Denn, wer Portugal an seiner Hauptstadt misst, der wird das Land nicht begreifen. Lissabon hat sein heutiges Gesicht nach 1755 bekommen. Am Aussichtspunkt am Park Eduardo VII. erinnert ein Brunnen an das Erdbeben. Bei dieser Katastrophe wurde Lissabon zu nahezu 85 Prozent zerstört. Zudem überrollte ein 15 bis 20 Meter hoher Tsunami, der über die Mündung des Tejo eindrang, die Stadt. Die meisten der über 60 000 Toten ertranken in den Fluten. Viele Gebäude, die von der ersten Welle verschont blieben, fielen der darauffolgenden, fast eine Woche andauernden Feuersbrunst zum Opfer. Marques de Pombal organisierte den Wiederaufbau Lissabons. Mit Ausnahme der Kathedrale, dem Kastell und der Alfama ist Lissabon daher eine Stadt des 18. und 19.Jahrhunderts.

Die Hauptstädte Portugals

Um Portugal zu verstehen muss man sich die Hauptstädte des Landes ansehen – Guimaraes, Coimbra und Lissabon. Die Wiege der Nation ist konservativ, die heutige Universitätsstadt eher eine Melange und Lissabon präsentiert sich als eine weltoffene Stadt. Porto, die (heimliche) Hauptstadt des Nordens war dagegen nie königliche Residenz, sondern immer „nur“ der erste Handelsplatz des Landes. Guimaraes, die Wiege der Nation im Minho, war nur kurze Zeit Hauptstadt, aus nationaler Perspektive ist es aber die wichtigste. Coimbra war dann immerhin 117 Jahre, also etwa vier Generationen lang Residenz und tauschte anschließend diesen Status gegen den einer Universitätsstadt. Lissabon dagegen hat alle Dynastien Portugals gesehen und überlebt. Daher ist Lissabon und Umgebung kunsthistorisch betrachtet ein guter Einstieg aber ohne das Gefühl, das zum Beispiel die kleine Stadt Guimaraes vermittelt, bleibt es eine halbe Sache.

Der Alantejo und die Algarve

Die letzte Station am Weg Portugal zu verstehen ist der der Süden des Landes. Zuerst der Alentejo mit seinen großen Korkeichenplantagen und Getreidefeldern sowie Evora, die Stadt der Römer und des Humanismus, die an einem sehr alten Siedlungsort liegt. Denn der Steinkreis von Almendres belegt, dass hier schon seit Tausenden von Jahren Menschen siedeln. Hinter dem Küstengebirge liegt schließlich die rund 5.000 Quadratkilometer große Algarve. Touristisch betrachtet, das bekannteste Gebiet des Landes, das aber immer sein eigenes Süppchen gekocht hat. Hier liegt das „Promontorium sacrum“ der Römer, das Kap des Heiligen Vinzenz ist seit dem Neolithikum ein Heiliger Ort. An der Algarve wurde Gil Eanes geboren und von hier sind die Karavellen der Portugiesen zu ihren ersten Entdeckungsfahrten gestartet. Die Kalksteinküste ist übrigens atemberaubend schön.

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