Haben Kreuzfahrten eine Zukunft?

Eine Pandemie ist eine „Zäsur“, das bedeutet in ihrer („die“ Zäsur ist grammatikalisch weiblich) mildesten Form eine „Unterbrechung“, in ihrer starken Form, ein Ende. Ob Kreuzfahrten nur temporär „stillstehen“ oder die Schiffe verschrottet werden, das weiß nur die Kristallkugel. Aktuell liegen die meisten Schiffe vor Anker, einzelne wurden bereits „recycelt“.

Auf der Webseite des Fachmagazin „Cruise Industry News“ ist zu lesen, dass die Stornierungen von Kreuzfahrten bis Anfang 2021 reichen. Die Financial Times berichtet, dass erste Schiffe bereits zerlegt werden. Royal Caribbean soll die Verschrottung zweier seiner Schiffe angekündigt haben. Sea2Cradle ist quasi ein Bestattungsunternehmer für Schiffe. Die auf das Recyclen von Schiffen spezialisierte Firma, zerlegt derzeit zwei Passagierschiffe des Anbieters Carnival. Gut sieht es also nicht aus, für die Kreuzfahrt.

Kreuzfahrten als Wirtschaftsfaktor

Der Umsatz, dieser Sparte der Tourismusbranche, wird auf etwa 126 Mrd. Euro geschätzt. Für 2020 hatte man einen neuen Rekord mit 32 Millionen Gästen weltweit angepeilt. Dann kam SARS-CoV-2, die Schiffe liegen vor Anker und mehr als 1,2 Millionen Jobs sind bedroht. Das Umwelt Bundesamt Deutschland sagt: „Weltweit gibt es rund 5.000 Passagierschiffe, davon sind mehr als 500 Kreuzfahrtschiffe.“ Der Prognostizierte Verlust , aufgrund der Pandemie, liegt bei etwa 77 Mrd. USD, vorausgesetzt das Geschäft springt im September 2020 wieder an.

Kreuzfahrten sind ein „amerikanisches Ding“

Global ist die Kreuzfahrt fest in amerikanischer Hand. Die drei größten, börsennotierten, Kreuzfahrtreedereien sind : Carnival mit ihren Marken Aida, Cunard, Holland- America und Costa, gefolgt von Royal Caribbean Cruises, zu denen TUI Cruises, Celebrity, und Azamara gehört, sowie Norwegian Cruise Line NCL mit ihren Marken, Oceania und Regent Seven Seas, repräsentieren gut 70 Prozent des Marktes. Dann erst kommt Europas größte Kreuzfahrtreederei, MSC aus Genf. Die Passagiere von Kreuzfahrten sind zu fast 50 Prozent mit amerikanischen Pässen ausgestattet. Wenn man die Größe der Reedereien nach Tonnage bemisst, verschieben sich die einzelnen Ränge etwas, das kann man im „Schiffsjournal“ nachlesen.

Diamond Princess

Dieses Schiff geriet als erstes in die Schlagzeilen, im Februar 2020 brach COVID-19 an Bord aus. Das Schiff lag damals im Hafen von Yokohama vor Anker. Japan ließ die 3700 Passagiere nicht von Bord gehen. Über die Diamond Princess wurde zwei Wochen Quarantäne verhängt. 13 Menschen starben, 712 hatten sich infiziert. Die Geschichte ging, aufgrund der teilweise dramatischen Hilferufe der Passagiere, per Handy in die Welt gesendet, durch alle Medien. Später fand das Nationale Institut für Infektionskrankheiten in Japan heraus, dass die Ansteckung wahrscheinlich auf einen einzigen 88-Jährigen zurückgeht, der in Hongkong ausstieg und das Virus über die üblichen Aktivitäten auf Kreuzfahrtschiffen, also Tanzabende, Karaoke und dergleichen auf allen Decks verbreitete. „Patientin 0“, die SARS-CoV-2 nach Israel brachte, war ebenfalls an Bord der Diamond Princess. Das Schwesterschiff „Grand Princess“ wurde, kurze Zeit später, in Oakland, Kalifornien, mit 78 Infizierten festgesetzt.

Schiffe als „schwimmende Petrischalen“

Infektionen auf Schiffen sind schwer zu kontrollieren. Es gibt viele Punkte wo sich Wirt und Virus kreuzen. Die CDC reagierte auf diese Problematik. Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde, das Center for Disease Control and Prevention stoppte am 14. März 2020 die Vergnügungsfahrten. Ihre „No Sail“-Anordnung gilt für „alle Kreuzfahrtaktivitäten in den Hoheitsgewässern der USA“. Auch in Europa hat man die Kreuzfahrten gestoppt. Aktuell gibt es nur vereinzelte Freigaben und ob Landausflüge gemacht werden können, steht noch in den Sternen.

Erste zaghafte Versuche

Die ersten Versuche, Kreuzfahrtschiffe wieder auf die Reise zu schicken, waren nicht von Erfolg gekrönt. Die norwegische Reederei Hurtigruten musste ihre Hochseekreuzfahrten, nach einem COVID-19 Ausbruch unter mindestens 40 Gästen und Besatzungsmitgliedern auf der „Roald Amundsen“, komplett streichen. Eine kleinere norwegische Reederei, SeaDream Yacht Club, wollte wieder internationale Expeditionskreuzfahrten anbieten, der Traum endete mit einer Quarantäne im Hafen von Bodö, nachdem eine Dänin positiv getestet worden war. Aida ließ per Charter 750 Besatzungsmitglieder aus Asien einfliegen. Nach der Landung wurde getestet, elf Personen waren infiziert.

Der Hund ist im System begraben

Schiffe bieten nur einen begrenzten Raum, für die Passagiere mehr, für die Angestellten weniger. Im Packet sind Landgänge, große Schiffe spucken in kurzer Zeit viele Menschen aus. Das aktuell größte Kreuzfahrtschiff der Welt, die Symphony of the Seas, von der Reederei Royal Caribbean International zum Beispiel, bietet Platz für 6680 Passagiere und 2.200 Crewmitglieder. Fast 9.000 Menschen unternehmen, relativ zeitgleich, einen Landgang. An Bord sind Hygienekonzepte nur schwer umsetzbar, viele angebotene Freizeitaktivitäten würden jedem Epidemiologen die Haare zu Berge stehen lassen. Die Reedereien haben zwar Hygienekonzepte entwickelt, Passagiere werden getestet, die Besatzung wird mehrfach getestet, man putzt, das Entertainment wird reduziert, man nimmt weniger Passagiere mit. Ob das reicht wird erst der Feldversuch zeigen.

Häfen sperren zu

Viele Häfen wollen nicht Teil eines Feldversuches sein, sie sperren lieber. Kreuzfahrtschiffe waren für sie immer „Segen und Fluch“. Einerseits hat man daran verdient, anderseits waren die negativen Auswirkungen ebenfalls ein Faktor. Kreuzfahrt ist „Masse“, das ist eine Tatsache. Martin Amanshauser meint in „Die Presse„: Der gesamte Massentourismus muss umdenken. Geht eh nicht anders. Er schreibt weiter:

Vor Jahren wollte ich in Willemstad, Curaçao, Salz für meine Spaghetti kaufen. Ich irrte herum. Kein Geschäft führte Salz. Die ökonomischen Aktivitäten waren auf Kreuzfahrtgäste abgestimmt, die sich als Menschenstrom stadtwärts ergossen und garantiert nie Nudeln kochten. Anhand des Salzmangels wurden mir die desaströsen Auswirkungen ihrer Reiseform schmerzhaft bewusst – letztlich jener des Massentourismus. Die Pandemie durchschnitt die Nabelschnur zwischen Wirt und Schmarotzer. Schlimm für die Kreuzfahrt – Schlagzeilen machte im Februar die Diamond Princess, stecken geblieben in Yokohama. 3711 Leute standen in den Kabinen unter Quarantäne, 712 positiv, 14 Todesfälle. 30 solcher Schiffe verzeichneten Covidfälle, mehr als 100.000 Crewmitglieder blieben über Wochen eingeschlossen. In seinem exakt recherchierten Essay „The end of tourism?“ fasst Christopher de Bellaigue in „The Guardian“ die von Megaschiffen verursachten Schäden zusammen. Er fragt, wieso niemand den Reedereien Steuern für die Benützung jener Orte verrechnet, die ihr Geschäftsmodell erst ermöglichen – sondern man vielmehr denen, die Luft und Meer versauen und unter Gefälligkeitsflaggen ihrer Besatzung Billiglöhne zahlen, auch noch mit Steuern entgegenkommt.

Martin Amanshauser, in „Die Presse“ am 2.9.2020

Klassische Kreuzfahrten sind problematisch

Wenigstens auf 3 Ebenen verursachen Kreuzfahrten Probleme. Auf der Ebene der Umwelt, der Arbeitsbedingungen und der Situation, der betroffenen Hafenstädte inklusive Umgebung. Böse gesagt, sind diese Schiffe „schwimmende Mistkübel“, denn das Gros der Branche setzt weiterhin umweltschädliches Schweröl ein und verzichtet auch auf Rußpartikelfilter. Die Arbeitsbedingungen an Bord sind mäßig gut, das Personal kommt meist aus Billiglohnländern. Die im Zuge von Landausflügen besuchten Städte werden quasi „geflutet“, viele Menschen mit wenig Zeit, ergießen sich an einem Ort. Das belastet nicht nur den Ort, es verhindert auch die Umsetzung nachhaltiger Tourismuskonzepte. Die Schiffe liegen mit laufenden Motoren im Hafen, denn die Stromversorgung kommt in den meisten Häfen nicht „aus der Steckdose“. Die Liegegebühren sind teuer, die Zeit im Hafen wird kurz gehalten.

Haben also Kreuzfahrten eine Zukunft?

Das hängt davon ab ob Corona als Zäsur einschneidend genug war um zu einem Umdenken zu führen. Im Tourismus wird Nachhaltigkeit ein großes Thema werden. Nachhaltig sind die meisten Kreuzfahrten nicht. Es gibt wohltuende Ausnahmen mit kleinen Schiffen aber das ist teuer, für die Masse eignet sich dieses Angebot nicht. Die „schwimmenden Städte“ sind billig und sie vermitteln eine Illusion von Luxus. Das war bisher ein gutes Geschäft. Corona hat klar gemacht, dass diese Schiffe einen Nachteil haben, zur Zeit einer Pandemie werden sie schnell zu einem Gefängnis, wenn sich eine Infektion ausbreitet. Eine Masse von Menschen auf einem begrenzten Raum ist verletzlich wenn sich ein Virus einschleicht. Die Häfen haben gelernt, es geht auch ohne den großen Schiffen. Die Menschen dieser Häfen haben Angst vor den Krankheiten, die ein Schiff bringen kann. Sie werden den Gewinn, den diese Schiffe bringen in Relation zu den Nachteilen setzen. Diese Rechnung wird, für die großen Schiffe wenigstens, nicht positiv ausfallen. Das „Immer Mehr“ rächt sich jetzt. Hoch sollte der Einsatz nicht sein, wenn man auf die klassische Kreuzfahrtindustrie setzt. Mit dem Willen zur Veränderung könnte die Branche überleben, die Frage ist, ob sie den hat.

Foto: Foto von GEORGE DESIPRIS von Pexels

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