Reisewarnungen und Reisen vertragen sich nicht besonders gut

Der Tourismus ist aktuell am Abstellgleis, Reisen sind nicht oder nur eingeschränkt möglich, das ist der Pandemie geschuldet. Ein kleines Virus legt die Reisebranche lahm. Das hat gravierende Folgen, jedenfalls für die Menschen die dafür arbeiten, die „schönste Zeit des Jahres“, zu einem tollen Erlebnis zu machen. Eine Reisewarnung kann eine zeitintensive Planung sehr schnell zunichte machen. Für die betroffenen Länder hat das ebenfalls Folgen. Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, eine Reisewarnung kann ihn ganz flott zum Erliegen bringen. Das kostet viele Arbeitsplätze.

Sperrt man nun, statt ganzen Ländern, „nur“ die betroffenen Regionen, dann ist das zwar auch nicht schön aber immer noch besser als eine landesweite Sperre. Österreich hat, im Fall von Kroatien, ein ganzes Land gesperrt. Die Schweiz, Deutschland und einige andere Länder Europas haben in Österreich nur eine Region geschlossen – Wien sitzt auf der roten Liste.

Kroatien Foto: Pexels/Pixabay

Wien ist „auf der Liste“, die Infektionszahlen sind hoch.

Angesichts der hohen Anzahl an Neuinfektionen gilt Wien in Deutschland jetzt offiziell als Corona-Risikogebiet. Das geht aus der am Mittwochabend aktualisierten Liste der Risikogebiete hervor, die das deutsche Robert Koch-Institut führt. Als Risikogebiet definiert Deutschland aktuell Regionen in Frankreich, Spanien, Belgien, Kroatien, Bulgarien, Rumänien, Tschechien und der Schweiz.

Einreisende aus Risikogebieten müssen sich in Deutschland verpflichtend auf das Coronavirus testen lassen, sofern sie kein negatives Testergebnis vorweisen können, das höchstens 48 Stunden alt ist. Solange kein negatives Ergebnis vorliegt, müssen sie sich für zwei Wochen in häusliche Quarantäne begeben. In Wien liegt der Wert laut Gesundheitsministerium aktuell bei 113 neuen Fällen bei 100.000 Einwohnern in den vergangenen sieben Tagen.

Wien, Fiaker Foto von Anton Uniqueton von Pexels

Die Bewertung als „Risiko-Stadt“ ist für den Tourismus in Wien eine Katastrophe

 „Das ist eine Katastrophe“, sagte Wiens Tourismusdirektor Norbert Kettner am Donnerstag. Die Deutschen seien immer die wichtigste Gästegruppe gewesen und hätten auch gerade in der Coronakrise der Stadt die Treue gehalten. 35 Prozent der Übernachtungen im Juli seien auf deutsche Gäste entfallen.

Nun steuere der Tourismus, der 2019 ein Rekordjahr verbucht hatte, in diesem Jahr auf ein Minus bei den Übernachtungen von 70 Prozent zu. „Einige Hotels werden temporär zusperren, manche für immer.“ In Wien hingen 116 000 Jobs direkt oder indirekt am Tourismus. Schätzungsweise 35 000 drohten nun verloren zu gehen.

Potenziell betroffen sind, neben den Touristen, auch insgesamt 60 000 Deutsche, die in der Stadt leben. Die Deutschen, darunter viele Studenten, stellen nach Serben und Türken die drittgrößte Gruppe der Bürger mit ausländischer Herkunft in Wien.

Foto von Artem Beliaikin von Pexels

Die Menschen im Tourismus stehen vor dem Scherbenhaufen der einmal ihr Leben war

Ein Artikel des Traveller bringt es auf den Punkt. Ben Groundwater schreibt dort: „Australische Tourismusindustrie während COVID-19: Eine unserer größten Industrien wird zerstört“. Damit liegt er richtig. Australien ist strikt was seine Pandemie-Verordnungen betrifft. Die internationalen Grenzen sind seit Monaten geschlossen. Touristen sind längst ausgereist – mit verheerenden Folgen für die Reiseindustrie. Nur noch heimkehrende Australier werden ins Land gelassen. Sie müssen unter Androhung von Haft- und Geldstrafen zwei Wochen in einem Hotel in die Isolation – mit einem Wächter vor der Tür. Sogar zwischen den einzelnen Territorien des Kontinents kann man nur noch unter bestimmten Bedingungen reisen – oder gar nicht.

Ben Groundwater beschreibt in seinem Artikel die „Schönwetterfreunde“ der Tourismusbranche

Die Menschen, die normalerweise den Tourismus am Laufen halten fühlen sich etwas verlassen. Dass aktuell eine Pandemie herrscht und ein Virus namens SARS-CoV-2 sein Unwesen treibt, ist ihnen bewusst, dass das Einschränkungen der Reisefreiheit bedeutet, auch. Was allerdings schwer zu verstehen ist, warum man ganze Kontinente oder Länder sperrt, wenn regionale Sperrungen vermutlich ausreichend wären. Was ihn wohl auch etwas schmerzt, ist der Umstand, dass „Tourismus“ nicht als „Arbeit“ angesehen wird. Dabei sind die Jobs im Tourismus vielfach ein Knochenjob, denn die „schönste Zeit des Jahres“ ist nur dann schön, wenn es Menschen gibt, die das Reisen organisieren und gestalten.

Everyone has a few friends like these. They’re great to be around when the going is good. They turn up at all your parties – they invite you to all of theirs. You spend a lot of time together just having fun. You form a tight bond.

But then something goes wrong in your life, and they totally ghost you. Maybe you get sick, maybe you go through a break-up, maybe there’s some other painful disruption. And these people just cease to exist. They don’t want to know you. They’ll appear again when you’ve sorted yourself out.

The tourism industry in Australia has a lot of these fair-weather friends. Right now, hoteliers and tour guides, air hosties and travel agents, destination managers and PR reps, cleaners and drivers, bar staff and waiters and so many more people – almost a million across Australia directly or indirectly involved in tourism – are all hurting, because they’ve come to realise something: their friends have disappeared.

Ben Groundwater (Traveller)
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Wenn Veranstalter überleben sollen brauchen sie Planungssicherheit

Was den Tourismus, außer den Reisebeschränkungen, belastet – das ist „nicht zu wissen was man wann wieder tun kann“. Eine geplante Reise entsteht nicht an einem Tag, ein Veranstalter kann sein Produkt nicht innerhalb einer Woche vermarkten. Sorgfältig zusammengestellte Reisen sind wie ein Germteig, sie brauchen ganz einfach Zeit. Geführte Reisen sind kein verursachender Faktor für den „Overtourismus“, sie sind, aufgrund der professionell betreuten Kleingruppen, ein Teil dessen, was man als „sanften Tourismus“ beschreibt. Aktuell subsummiert die Politik aber jede Reisetätigkeit unter „Tourismus“, das ist falsch.

Reisende sind nicht gleich Reisende

Die Arten und die Gründe des Reisens sind vielfältig. Der Bogen spannt sich von der geführten Studienreise über Geschäftsreisen, Kongressreisen, Badeurlauben, Partytourismus, Eventreisen über Kreuzfahrten und Städtetourismus bis zu Individualreisen. Aktuell werden auch Familienbesuche als „Tourismus“ eingestuft, obwohl sie mit Tourismus nichts zu tun haben.

Bei Reisen ist es eine Frage des „Wie“, die Folgen einer Reisetätigkeit hängen vom Verhalten des Reisenden ab. Nicht der Tourismus per se oder der Reisende an sich ist der „Superspreader“, der einzelne Mensch, der sich unvernünftig verhält, kann dazu werden. Daher wären statt Reisebeschränkungen klare Aussagen der Politik über „das WIE“ wünschenswert. Regionale Beschränkungen statt Sperrung eines ganzen Landes wären zielführender. Differenzierung wäre gefragt, denn Massentourismus kann in der Zeit einer Pandemie tatsächlich ein Problem darstellen, sanfter Tourismus dagegen wird kaum zum Problem werden.

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Tourismus ist kein „Spaß“

Am Tourismus hängen global Millionen von Arbeitsplätzen, in manchen Ländern macht der Tourismus den Unterschied zwischen etwas Wohlstand und ganz arm aus. In Wien wird auf hohem Niveau gejammert trotzdem sind auch da, zum Beispiel die 140 Menschen, die das Hotel Sacher gekündigt hat, 140 Einzelschicksale. Jeder verlorene Arbeitsplatz ist einer zu viel. Jeder zerstörte Traum tut weh. Ganz egal wo und wie das passiert. Kneissl Touristik hat in Kambodscha Brunnen geschlagen, Brillen verteilt und eine Schule gegründet. Dieses Projekt ist jetzt in der Warteschleife. Am Tourismus hängen nicht nur Jobs, oft trägt diese Industrie zur Entwicklung von Regionen bei. Auch diese Schicksale sollte man bedenken. Verantwortungsvolle Veranstalter kümmern sich immer um die Menschen vor Ort. Auch dieses Engagement ist aktuell von den Reisewarnungen betroffen.

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Die Menschen im Tourismus machen nicht 365 Tage im Jahr Urlaub

Wer im Tourismus arbeitet tut das meist aus Überzeugung. Wer Urlaub verkauft, der lebt nicht im permanenten Urlaub. Hinter guten Reisen steckt sehr viel Arbeit, sehr viel Wissen und auch Erfahrung. Weder Hotels, noch Veranstalter, können eine Pandemielänge in „Winterschlaf“ gehen. Es gibt kaum einen Betrieb im Tourismus der keine Kündigungen aussprechen muss. Es gibt keinen Veranstalter, der sich sicher sein kann, die Pandemie wirtschaftlich durchzustehen. Daher ist die Politik gefordert es dem Tourismus nicht noch schwerer zu machen als es Corona ohnehin schon tut. Man muss mit Reisewarnungen sehr sorgsam umgehen und man muss lernen zu differenzieren.

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