Kennen Sie Rendsburg? Rund hundert Kilometer von Hamburg entfernt, liegt es in der Mitte von Schleswig-Holstein und ist mit seinen 28.217 Einwohnern eine lebendige Stadt am Nord-Ostsee-Kanal und an der Eider, die übrigens der längsten Fluss Schleswig-Holsteins ist. Die Stadt hat außerdem einen „gemütlichen“ Rekord, denn sie besitzt immerhin die längste Sitzbank der Welt. Am 19.09.2014 wurde diese offiziell vermessen. Sie steht am Ufer des Nord-Ostsee-Kanals. Mit einer Länge von 575,75 m – ist sie ein attraktiver Logenplatz an der meist befahrenen Seeschifffahrtsstraße der Welt. Der „Ochsenweg“, die Handelsroute durch Schleswig-Holstein, führte über die Insel an Schloss und Marktplatz vorbei nach Süden bis an die Elbe. Die Altstadt selbst sitzt auf einem Werder des Grenzflusses Eider. Das Zentrum, auf dem Stadtplan immer noch als Insel zu erkennen, entstand im 13. Jahrhundert neben der Reinholdsburg, die sich damals auf dem jetzigen Schlossplatz befand.

Hochbrücke und Schwebefähre Rendsburg

Die Altstadt von Rendsburg ist klein und beschaulich aber schön

In Rendsburgs Altstadt gibt es durchaus einiges zu entdecken. 30 interessante Punkte liegen an der sogenannten blue line. Das ist ein Weg, der mit blauer Farbe auf den Pflastersteinen markiert ist und am Altstädter Markt startet. Das markanteste Gebäude ist dort das historische Rathaus mit Treppengiebel und Glockenspiel. In dem Backsteinbau trifft der Stadtrat noch heute politische Entscheidungen. Im Erdgeschoss hat die Touristenformation ihren Sitz, dort ist auch ein Prospekt mit der Beschreibung der Sehenswürdigkeiten entlang der „blue line“ erhältlich.

Gleich hinter dem Rathaus steht die mächtige St.-Marien-Kirche von 1287 – das älteste Bauwerk der Stadt. Beim Schlossplatz erinnert nur noch der Name an die ehemalige Bebauung. An dieser Stelle stand einst die Reinholdsburg, die Keimzelle der Stadt, und später ein Schloss. Es wurde 1718 wegen Baufälligkeit abgerissen. Der Brunnen ist Graf Gerhard dem Großen gewidmet, der 1339 das Stadtrecht bestätigte. Zu einer Pause im Grünen lädt der von einem Park umgebene Stadtsee ein. Er entstand beim Bau des Nord-Ostsee-Kanals aus einem Arm der Eider. An der Südseite des Stadtsees liegt in einem ehemaligen Zeughaus aus der Barockzeit das Kulturzentrum „Arsenal“. Direkt daneben steht noch eine Reihe hübscher alter Fachwerkhäuser.

Das Arsenal grenzt direkt an den großen Paradeplatz. Er war im 17. Jahrhundert der Mittelpunkt der barocken Festung Rendsburg. Am Rande des Platzes liegen wichtige Gebäude wie die Garnisonskirche und -apotheke, das Provianthaus und die Kommandantur. Vom Paradeplatz führt die Prinzessinstraße am Jüdischen Museum vorbei Richtung Nord-Ostsee-Kanal. Nach etwa einem Kilometer ist dann das Wahrzeichen Rendsburgs erreicht: die Eisenbahn-Hochbrücke.

Marienkirche und Christuskirche in Rendsburg

Die große alte Brücke und das „Schiffeschauen“

Der imposante Bau ist mehr als 100 Jahre alt, 2.486 Meter lang und 42 Meter hoch. Auf 40 Metern Höhe befindet sich eine Aussichtsplattform. Auch die 1913 eingeweihte Brücke hält einen Rekord, immerhin ist sie die längste Eisenbahnbrücke Deutschlands. Zur Brücke gehört auch eine Schwebefähre, die an Stahlseilen hängend das Wasser überquert. Wie die Brücke wurde sie 1913 gebaut und brachte mehr als 100 Jahre lang Passagiere und bis zu sechs Fahrzeuge von einer Seite des Nord-Ostsee-Kanals auf die andere. Im Januar 2016 stieß ein Frachter mit der Schwebefähre zusammen. Aktuell ist sie daher nicht in Betrieb. Schiffe schauen geht aber immer – im Café Brückenterrassen befindet sich eine Schiffsbegrüßungsanlage. Die Mitarbeiter heißen alle Schiffe, die die Brücke passieren, mit der passenden Nationalhymne willkommen und stellen sie ausführlich vor. Wie heißt das Schiff? Woher kommt es und wohin fährt es?

Schwebefähre und Hochbrücke mit Schiffsbegrüßungsstation

Rendsburg liegt auf der Geest

Dazu ist ganz gut zu wissen, was eine Geest eigentlich ist. Die Landformenkunde sagt uns, dass eine Geest durch Sandablagerungen während der Eiszeiten entstand (im Gegensatz zum Marschland, das nach der Eiszeit als Schwemmland geformt wurde). Diese geomorphologische Landform findet sich in Flandern, den Niederlanden, Dänemark und eben in Norddeutschland. Rendsburg liegt nun geographisch betrachtet auf dem Scheitelrücken des Schleswig-Holsteinischen Geest, auf dessen Rücken auch der historische Ochsenweg vom dänischen Jütland im Norden nach Sachsen im Süden führte.

Übergang vom Marschland in die Geest

Das ursprüngliche Rendsburg

Ursprünglich war Rendsburg auf einer Insel gelegen, damals prägte noch der Fluss, die Eider, das Stadtbild aber dann baute man den Nord-Ostsee-Kanal und Rendsburg wurde eine Stadt am Kanal. Seit 1895 mündet der Fluss nun beim Audorfer See in den Kanal und zweigt kurze Zeit später in die Obereider wieder ab vom Kanal. Der Arm, der zum Kanalgewässer gehört, endet am neu errichteten Obereiderhafen. Der Untereiderarm, von der Obereider getrennt durch den Thormannplatz, beginnt weiter im Westen der Stadt. Durch Zuflüsse von Auen fließt die Untereider von Rendsburg in Richtung Tönning. Der Fluss ist im Prinzenmoor durch den Gieselaukanal nochmals mit dem Nord-Ostsee-Kanal verbunden. Nahe der Altstadt liegt heute der Rendsburger Stadtsee.

Rathaus und Stadttheater in Rendsburg

Der NOK – 100 Kilometer Wasserstraße durch Schleswig-Holstein

Die Idee ist alt, bereits im 7.Jahrhundert hatte man darüber nachgedacht einen Kanal quer durch das heutige Schleswig-Holstein zu bauen. Allerdings wäre das damalige Projekt nur sechzehn Kilometer lang gewesen. Als sich der Handel nach Lübeck verlagerte verschwand der Plan bis zum 18.Jahrhundert in der Schublade. Der direkte Vorläufer des Nord-Ostsee-Kanals war der Eiderkanal, den der dänische König Christian VII. von 1777 bis 1784 errichten ließ. Er begann in Kiel und mündete bei Rendsburg in die Eider, die wiederum bei Tönning die Nordsee erreicht.

1864, zu Beginn des Deutsch-Dänischen Krieges, griff der preußische Kanzler Otto von Bismarck die Idee des Kanalbaus, dann aufgrund militärstrategischer Überlegungen, wieder auf. 1886 billigte der Reichstag den Bau und am 3. Juni 1887 erfolgte die Grundsteinlegung durch Kaiser Wilhelm I. in Kiel-Holtenau. Bis zu 8900 Arbeiter bewegten damals etwa achtzig Millionen Kubikmeter Erdreich. Der Kanal war in dieser ersten Ausbaustufe siebenundsechzig Meter breit und neun Meter tief.

Heute verbindet der NOK die Nordsee (Elbmündung) mit der Ostsee (Kieler Förde) und gehört mit etwa 30.000 Schiffen pro Jahr zu den meistbefahrenen künstlichen Wasserstraßen der Welt. Der Kanal durchquert auf seiner Länge von knapp 100 Kilometern das Land Schleswig-Holstein zwischen Brunsbüttel und Kiel-Holtenau. Damit erspart er die Fahrt um Jütland und die Passagen Skagerrak und Kattegat. Mit dem Kanal ist die Wegstrecke für die Schiffe, je nach Abfahrts- und Zielhafen, daher etwa 460 km kürzer.

NOK Grundsteinlegung

Rendsburg über die Zeit

Die Stadt auf der Eiderinsel war einerseits Kreuzungspunkt und anderseits Grenzfeste. Laut Saxo Grammaticus sollen hier die Sachsen die Angeln besiegt haben. Ob König Offa im 5.Jahrhundert tatsächlich als Sieger vom Feld ging, ist historisch aber nicht gesichert. 811 wurde jedenfalls unter dem dänischen König Hemming mit der Eider eine Grenze zwischen Dänemark und dem Reich der Franken gezogen. Um 1100, legte dann der dänische Jarl Björn eine erste Festung auf der Eiderinsel an. Die Reinholdsburg sollte den Eiderübergang sichern. Die eigentliche Siedlung Rendsburg wurde erst fünfzig Jahre später gegründet. 1250 wurde Rendsburg Holstein zugeschlagen und damit zur Grenzfestung gegen Schleswig. 1460 wurde es dann in den Herrschaftsbereich Dänemarks unter König Christian I., Herzog von Schleswig und Graf von Holstein, eingegliedert.

Rendsburg war im Mittelalter recht klein

Der eigentliche Siedlungskern erstreckte sich damals nur auf den Bereich der Altstadt um den Altstädter Markt. Der Hauptweg über die Insel verlief über die heutige Mühlenstraße mit Verlängerung der Schleifmühlenstraße. Die Bewohner waren Landwirte und Fischer sowie Handwerker und Händler. Nach dem Stadtbrand von 1286 wurde im Rahmen des Wiederaufbaus 1287 die Marienkirche errichtet. Bis in das 15. Jahrhundert brannte es regelmäßig. Im 16.Jahrhundert baute man noch das Rendsburger Schlosses und die Festungsanlagen aus, im 18.Jahrhundert verlor es seine Funktion und wurde abgerissen. Außerhalb der Stadt, vor dem Mühlentor, befand sich im Mittelalter die Badestube und im nördlich gelegenen Vorort Vinzier lag das Siechenhaus für Leprakranke. Während der Reformationszeit wurde in Rendsburg am 9.März 1542 die lutherische Kirchenordnung für Schleswig und Holstein verabschiedet und damit die Schleswig-Holsteinische Landeskirche begründet.

„Eidora romani terminus impery“ und der Paradeplatz entsteht

Das 17.Jahrhundert war für Rendsburg eine turbulente Zeit. Denn im Dreißigjährigen Krieg war die Stadt zwei Jahre (1627 bis 1629) unter kaiserlich-deutscher Herrschaft. 1644 und 1645 wurde es von schwedischen Truppen besetzt und wenig später erneut schwer belagert, aber nicht eingenommen. 1660 wird Rendsburg schließlich eine dänische Garnisonsstadt und neun Jahre später baute der dänische Generalmajor Henrik Ruse die erste große Festungsanlage Rendsburg. Für diesen Bau schüttete man Gelände an der Schiffbrücke, auf dem Schlossplatz und am heutigen Thormannplatz großflächig auf und errichtete Wälle. Außerdem entstanden die zwei großen Bastionen, Schleswig und Vinzier. In das Südportal der Festung wurde 1670 der sogenannte Eiderstein mit der Inschrift EIDORA ROMANI TERMINUS IMPERY (Die Eider ist die Grenze des römischen Reichs) eingesetzt.

Ab 1690 erfolgte eine zweite große Festungserweiterung und im Norden der Stadt entstand im Zuge des Festungsbaus das Kronwerk. Im Süden entstand das riesige Neuwerk mit seinen strahlenförmig angelegten und erst allmählich besiedelten Straßenzügen. Hier befanden sich die militärischen Gebäude: die Baracken und Kasernen der Soldaten, die Hauptwache, das Arsenal und das Provianthaus sowie der große militärische Aufmarschplatz – der Paradeplatz. Damit wurde Rendsburg zur wichtigsten militärischen Festung Dänemarks und zu einer dänisch geprägten Stadt.

Das alte Packhaus an der Eider und der erste Kanal

Im 18.Jahrhundert wurde der Eider Kanal gebaut. Er verlief von Kiel-Holtenau nach Rendsburg und hieß offiziell Schleswig-Holsteinischer Canal. Mit ihm wurde erstmals eine Wasserstraße zwischen der Ostsee bei Kiel und der Nordsee bei Tönning geschaffen. Eine Schleusenanlage in der Altstadt regelte damals die Wasserstände zwischen der Obereider und der Untereider. Die Anlage befand sich an der heutigen Straße An der Schleuse, allerdings wurde sie 1937 zugeschüttet. Ein dreigeschossiges Packhaus aus dem Jahr 1783 erinnert heute noch an die Zeit des Eider-Kanals.

Im 19.Jahrhundert wird es wieder turbulent in Rendsburg

Ob König Christian VII. wirklich einen Herzinfarkt aufgrund der spanischen Hilfstruppen, die er mit Feinden verwechselte, erlitt ist nicht fix. Sicher ist dagegen, dass Friedrich VI am Paradeplatz zum König ausgerufen wurde. 1813 wurde Rendsburg dann im Verlauf der Napoleonischen Kriege von Schweden und Russland belagert. Am 24. März 1848 wird hier die provisorische schleswig-holsteinischen Regierung ausgerufen. Die dänische Garnison wurde damals von den in dänischen Uniformen gekleideten Aufständischen überrumpelt und Rendsburg war damit plötzlich das Zentrum des Bürgerkrieges gegen Dänemark. Nach dem Ende des 1. Schleswigschen Krieges kam in Rendsburg eine deutsch-dänische Grenzregulierungskommission zusammen, die den genauen Grenzverlauf zwischen Holstein (Deutscher Bund) und Schleswig (Dänemark) bestimmen sollte. Ergebnis gab es allerdings keines. Zwischen 1852 und 1864 stand Rendsburg dann erneut unter dänischer Herrschaft. Die Dänen schliffen die Stadttore sowie die Festungen Kronwerk und Altstadt. Damit veränderten sie das Stadtbild.

Rendsburg wird deutsch und die Hochbrücke wird gebaut

Nach dem Krieg gegen Österreich und Preußen trat Dänemark 1864 im Frieden von Wien die Herzogtümer Schleswig und Holstein ab. Laut Gasteiner Konvention war Rendsburg anschließend für den Ausbau als Bundesfestung, zur Sicherung der Grenze des Deutschen Bundes zu Dänemark, vorgesehen. Wegen der Auflösung des Deutschen Bundes 1866 kam es allerdings nicht mehr zur Ausführung dieses Beschlusses. 1895 eröffnete man nach achtjähriger Bauzeit den (damals) Kaiser-Wilhelm-Kanal (heute) Nord-Ostsee-Kanal und 1913 war dann die Rendsburger Hochbrücke über den Kanal mit ihrer darunter verlaufenden Schwebefähre fertig. Die 2,5 Kilometer lange Stahlkonstruktion ist noch immer das Wahrzeichen der Stadt.

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