Die Reisebranche wird wieder aufleben – also Reisen 2021 ja – aber wie? Die erste Jahreshälfte wird vermutlich nicht einfach, normalerweise haben Reisebüros einen guten Polster an Vorausbuchungen, den gibt es diesmal nicht. Die angekündigten Impfungen werden Zeit brauchen bis sie ihre Wirkung auch für die Reisebranche entfalten. Sicherheit wird 2021 ein großes Thema sein, für Reisen wird man neue Regeln aufstellen müssen. Eine Hoffnung ist, dass nach Ostern die Reiselustigen wieder Vertrauen schöpfen und ihren Sommerurlaub buchen. Bis dahin wird Kurzarbeit in der Reisebranche Thema sein. Zusätzlich stellt sich die Frage wie sehr Corona das Reisen per se verändern wird.

Fakt ist: Menschen wollen reisen – das „Wie“ ist die Frage

Noch nie hat etwas die Reisebranche so sehr gebremst wie Corona. Wenig geht, Reisewarnungen, geschlossene Grenzen, Flugangebote auf Sparflamme, Unsicherheit wann der nächste Lockdown kommt, das wirft die Reiselustigen auf die eigenen vier Wände zurück und lässt sie mit ihrer Sehnsucht sitzen. Kein Tsunami, kein Terrorist, nicht einmal Kriege haben das zustande gebracht, was diesem kleinen Virus gelungen ist, der Tourismus ist global erstarrt. In dieser Erstarrung stellt man sich die Frage: „Wie geht es weiter – Reisen 2021 ja – aber wie? Anja Kirig vom Zukunftsinstitut in Frankfurt verrät im Standard ihre Sicht des „Wie“.

Corona ist wie ein Katalysator. Trends, die bereits vor der Virusinvasion erkennbar waren, beschleunigen sich und treten jetzt stärker hervor. Reisen und Unterwegssein werden immer mehr zu einem Teil der Entwicklungsbiografie“

Anja Kirig im Standard, Dezember 2020

Mehr Tiefgang – weniger Oberfläche

Was Kirig da sagt ist eigentlich das Credo von Studien-und Erlebnisreisen. Reisen soll „in die Tiefe“ gehen, quasi eine Symphonie von Sehen, Riechen, Schmecken, Hören und Verstehen sein. Reisen als sinnliches Erlebnis braucht aber Zeit. Wer in die Tiefe gehen will, der muss verweilen und alle seine Sinne einsetzen um dieses „Erleben“ passieren zu lassen. Mit dem Massentourismus passt diese Idee von Reisen nicht zusammen und ganz billig geht das auch nicht. Kirig könnte aber recht haben, auf der Suche nach Sicherheit macht man sich mehr Gedanken über das „Wie“ und „Warum“. Auf welche Art reise ich und warum mache ich mich überhaupt auf den Weg?

Die Selbstverständlichkeit des Reisens ist Vergangenheit

Reisen war am Weg ein austauschbarer Konsumartikel zu werden und dann kam Corona. Plötzlich gab es die Erfahrung von kasernierten Gästen in Hotels, Todesfälle auf Kreuzfahrtschiffen und Reisende, gestrandet im Ausland in einer Dimension, die es zu einer kollektiven Erfahrung werden lässt. Bei künftigen Buchungen werden sich die Menschen genau überlegen bei wem sie welche Destination kaufen. Sicherheit und Vertrauen werden eine große Rolle bei der Kaufentscheidung spielen. Dass die Firma sabtours ihre Busse mit besonderen Filtern ausgestattet hat und das Büro Kneissl Touristik alle seine Kunden wohlbehalten und gesund nach Hause brachte, wird sich vermutlich bezahlt machen. Reisen 2021 ja – aber wie wird sehr viel mit dem Gefühl von Sicherheit zu tun haben und mit Wertschätzung.

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Tests und Impfungen werden Teil des Reisens sein

2021 wird die Pandemie noch nicht Vergangenheit sein, wer reisen will muss wohl die eine oder andere Auflage akzeptieren. Tests und Impfungen sind da ein großes Thema. Die Fluglinie Quantas hat Aufregung verursacht als sie Flugreisen an Impfung koppelte. So weit wollen die Fluglinien der Star Alliance nicht gehen aber Langstreckenflüge werden nach Ansicht von Lufthansa-Chef Carsten Spohr künftig wohl nur mit einem negativen Corona-Test oder Impfnachweis möglich sein. In einer ersten Phase wird die Anzahl der Strecken mit verbindlichen Schnelltests zunächst zunehmen. „In der zweiten Phase wird es wahrscheinlich eine Option zwischen Test oder Impfnachweis geben.“ Erst wenn eine ausreichende Immunität der Weltbevölkerung erreicht sei, würde das Impfzertifikat dann überflüssig.

Persönlich gehe ich davon aus, dass bei Interkontinentalflügen auf bestimmten Strecken künftig jeder Passagier entweder getestet oder geimpft ist

Lufthansa-Chef Carsten Spohr in der „Welt am Sonntag“

Den „Transporteuren geht es nicht gut

Durch die Krise haben von der Fluglinie bis zum Busunternehmer viele Betriebe sehr viel Geld verloren, manche soviel, dass sie 2021 nicht mehr „erleben“ werden. Das bedeutet, dass Transportmittel nur eingeschränkt zur Verfügung stehen. Zum Beispiel bei Lufthansa müssen bis Ende des Jahres 29.000 Mitarbeiter den Konzern verlassen, das ist etwa jeder fünfte Lufthanseat. Viele Airlines haben ihren Flugplan ausgedünnt, Destinationen wurden gestrichen, das bedeutet auch für Reiseveranstalter und Reisende Planungsschwierigkeiten, denn ganz ohne Flugzeug funktioniert die beste Fernreise nun einmal nicht.

Wir hatten im Dezember weniger als zehn Prozent der Passagiere im Vergleich zum Vorjahr. Wir gehen realistisch davon aus, dass wir Mitte des Jahrzehnts bis zu zehn Prozent weniger Passagiere als in der Vor-Corona-Zeit haben

Casten Spohr Lufthansa zu Reuters

Der Trend geht zu bewusstem Reisen

Selbst ohne Kristallkugel lässt sich die Aussage tätigen, dass Tourismus und Reisen aktuell einer radikalen Veränderung unterworfen sind. Der Mensch wird global mobil bleiben aber er wird vorsichtiger sein und vermutlich bewusster reisen. Dinge geraten in einer flotten Zeit zwar schnell in Vergessenheit aber die Hürden, die Corona für Reisende einzieht, werden ein schnelles Vergessen nicht möglich machen. SARS-CoV-2 hat die unangenehme Eigenschaft jeden Fehler im System gnadenlos aufzuzeigen. Reiseanbieter mit Systemfehler werden das Virus nicht überleben. Reisende die schnell viel billig konsumieren möchten, könnten in dieser Zeit stranden, am Virus und an sich selbst. Trotzdem kann Covid eine Chance sein zu der Erkenntnis zu gelangen, dass Reisen immer ein Weg zu sich selbst ist, der nicht nur Sehnsucht sondern auch Engagement braucht, wenn man seinen Traum leben will.

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