Das Holstentor ist das Wahrzeichen Lübecks und es ist eines der schönsten Stadttore, die in Deutschland erhalten geblieben sind. Das spätgotische Bauwerk begrenzt die Innenstadt der Hansestadt Lübeck nach Westen und gehört zu den Überresten der alten Lübecker Stadtbefestigung. Betritt man durch das Tor die Altstadt Lübecks dann kann man da auf den Spuren der Gebrüder Mann wandeln. Das berühmte Haus in der Mengstraße 4, Stammsitz der Familie Mann und Romanschauplatz des Jahrhundertbestsellers „Buddenbrooks“ ist heute ein Museum. Es ist kein Geheimnis, dass Thomas Mann mit dem Roman die Buddenbrooks auch die Geschichte seiner Familie erzählt. Das Bild Lübecks, das Thomas Mann zeichnet, ist allerdings kein postkartentaugliches Porträt, es ist vielmehr das Bild einer Stadt, in der Tradition und Gegenwart nur schwer miteinander zu versöhnen sind. Das hat die Lübecker, als das Buch erschien, nur mittelglücklich gemacht.

Innenstadt Lübeck

Wenn man in Lübeck unterwegs ist stolpert man über Thomas Mann und die Buddenbrooks

Das Haus in der Mengstraße 4, Stammsitz der Familie Mann und Romanschauplatz der Buddenbrooks, wird allerdings bis 2023/24 renoviert. Das Museum wird um sein Nachbargrundstück, Mengstraße 6, erweitert. Wenn es fertig ist dann ist damit die aktuelle Ausstellungsfläche verdoppelt. Die Buddenbrooks müssen also umziehen und sich für ein paar Jahre im Lübecker Stadtpalais Behnhaus niederlassen. Aber auch dieses Museum vermittelt ein gutes Gefühl für die Lebenswelt der Buddenbrooks und der Lübecker Kaufmannschaft, der Heinrich und Thomas Mann entstammen. Abgesehen von der Mengstraße sind die Fischergrube (Thomas’ neues Haus; Annas Blumenladen), das Rathaus, die Breite Straße, die Beckergrube, die Trave, der Mühlenteich und der Wall sowie das Gebiet rund um das Katherinenkloster, welches so nicht mehr existiert, weitere Stationen auf einem Mann-Buddenbrook Spaziergang.

Eine Stadt, über die man ein elfhundert Seiten starkes Buch schreibt, kann einem ja im Grunde nicht so ganz gleichgültig sein

Thomas Mann 1903

Lübeck ist die Geburtsstadt von Thomas Mann, der hier 1875 das Licht der Welt erblickte. Der Schriftsteller, der im Fach Deutsch über ein „Recht befriedigend“ nie hinauskam, hat die Stadt zur Kulisse seiner Buddenbrooks gemacht. Auch wenn Lübeck nie wörtlich erwähnt wird, weiß jeder, der die Stadt kennt, dass diese Kaufmannsfamilie hier zu Hause ist. Da die Geschichte der Buddenbrooks auch eine Geschichte des Verfalls ist, wird Lübeck und sein Wandel eben auch nicht positiv verklärt sondern ziemlich realistisch erklärt. Ob es Thomas Mann um „Rache“ an der Lübecker Gesellschaft ging, das sei dahingestellt. Gerade mal 19-jährig hat Mann Lübeck 1894 den Rücken gekehrt. Er ging nach München. 1897, auf einer ausgedehnten Italienreise mit seinem Bruder Heinrich, beginnt Thomas seine Arbeit an den „Buddenbrooks“, die eigentlich eine kaum verhüllte Schilderung der eigenen Familiengeschichte ist.

Buddenbrook Haus Lübeck

Thomas Mann

Als Schriftsteller konnte es Thomas Mann kaum jemanden recht machen – den Konservativen war er zu intellektuell, den Linken zu deutsch und den Schriftstellerkollegen zu bürgerlich, außerdem war er homosexuell. Trotzdem war er oder ist er einer der wichtigsten und meist gelesenen deutschen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Als Sohn dürfte er seinen Vater in die Verzweiflung getrieben haben. Der erfolgreiche und angesehene Lübecker Kaufmann verfügt in seinem Testament, dass bei seinem Tode die Firma aufgelöst werden soll. Seinen beiden ältesten Söhnen, Heinrich und Thomas, traut er seine Nachfolge schlicht nicht zu. Die Mutter sah das anders. Sie förderte die künstlerischen Ambitionen ihrer Söhne. Als Kind hatte sie in Brasilien gelebt und daher sicher eine andere Weltsicht als ihr Ehemann.

Thomas Mann Villa in München

Der bürgerliche Thomas Mann

Trotz seiner homosexuellen Neigung heiratet Mann 1905 Katia Pringsheim, ein Mädchen aus einer der wohlhabendsten Münchener Gelehrtenfamilien. Die Ehe geht gut. Katia wird ihm ein Leben lang den Rücken frei halten und sechs Kinder schenken. Thomas Mann ist erfolgreich und kann sich seine Villa „Poschi“ in München leisten. Mit seinem Bruder Heinrich allerdings verkracht er sich denn Thomas ist gegen den Krieg. Die Gründe hält er in seinem Essay „Betrachtungen eines Unpolitischen„. fest. Diese 1918 erschienene, mit etwa 450 Seiten umfangreichste nicht fiktionale Schrift der Autors, ist eine Antwort auf seinen Bruder Heinrich und dessen Essay Geist und Macht (1910). Mit seiner Rede „Von deutscher Republik“ revidiert Thomas Mann 1922 allerdings sein Essay und positioniert sich so zum Befürworter der Weimarer Demokratie. Sieben Jahre später bekommt der Schriftsteller den Nobelpreis, aber nicht für den „Zauberberg“ sondern für die „Buddenbrooks“, was er als Verletzung empfand. Thomas Mann und die Buddenbrooks sind allerdings einfach eine Einheit.

Thomas Mann

Die Zeit im Exil

Der bürgerliche Thomas Mann war kein Freund der Nationalsozialisten. Bereits im Frühjahr 1933, kurz nach Hitlers Machtergreifung, entschließt sich Thomas Mann daher, von einer Vortragsreise durch Westeuropa nicht nach Deutschland zurückzukehren. Die Nazis nehmen der Familie Mann viel, zuerst Ruhm und Reputation, dann Großteile ihres Vermögens und am Ende sogar die Staatsbürgerschaft. Nach Umwegen lässt er sich zuerst in der Schweiz nieder, später (1938) emigriert Thomas Mann in die USA. Das Exil macht ihm zu schaffen daher vergräbt sich Thomas Mann in seine Arbeit. Aus den USA ruft er die Deutschen zum Widerstand auf. Die BBC sendet das per Langwelle und die Deutschen hören ihm zu.

Wo ich bin, ist Deutschland! Ich trage meine Kultur in mir und betrachte mich nicht als gefallenen Menschen

Thomas Mann

Im Exil schreibt er an seinem Roman „Doktor Faustus„. Das Buch erscheint 1947 und erzählt vom Pakt des Tonsetzers Adrian Leverkühn mit dem Teufel – eine gnadenlose Abrechnung mit all jenen Traditionslinien der deutschen Kultur, die den Nationalsozialismus erst ermöglicht haben. In Deutschland ist man wenig begeistert, Kritik aus dem Exil war damals unerwünscht. Besonders unbeliebt macht sich Thomas Mann als er die Bombardierungen deutscher Städte lmit dem lapidaren Satz „Alles muss bezahlt werden“ kommentiert.

Thomas Mann Haus Palisades USA

Thomas Mann und die Kunst

Seit der Doppel-Ausstellung „Augen auf! Thomas Mann und die bildende Kunst“, die 2015 in Lübeck gezeigt wurde, weiß man, dass Thomas Mann bildende Kunst kannte und schätzte. Er war meist bestens informiert was die damaligen Künstler malten. Emil Nolde, Hans Thoma, Ludwig von Hofmann, Arnold Böcklin, Max Liebermann, Max Oppenheimer oder Oskar Kokoschka waren auf seinem Radar. Thomas Mann förderte sie, indem er ihnen Essays widmete. Er schrieb außerdem zahlreiche Abhandlungen über Kunst und Künstler sowie ihr Selbstverständnis und die Rolle der Kunst in der Gesellschaft. Die Bilder von Ludwig von Hofmann inspirierten ihn zum Beispiel als an seinem „Zauberberg“ schrieb und in den „Buddenbrooks“ wird ein Aussichtspunkt beschrieben, an dem sich Tony Buddenbrook mit Morten trifft. Den Brodtener Seetempel gab es wirklich, er wurde jedoch 1872 durch eine Sturmflut zerstört. Mann orientierte sich daher an einer Lithographie eines unbekannten Künstlers.

Thomas Mann Porträt

Thomas Mann mochte Wien und Österreich

Immerhin feierte der Schriftsteller seinen 50er in Wien. Als Thomas Mann damals im Jahr 1925 seinen runden Geburtstag in Wien feierte, widmete ihm die „Neue Freie Presse“ eine etwas verspätete aber eigene Beilage. Mann hielt damals vor dem Wiener P.E.N.-Club eine Rede in der er die Stadt als „exotisch“ bezeichnete und ihr attestierte, dass sie eine Neigung zur Morbidität habe und ihre Seele vom Tod wisse. Es war nicht sein erster Besuch, denn Thomas Mann war, beginnend mit einem Sondierungsbesuch im „Central“ im Juli 1896, mehrmals in Wien zu Gast, Thomas Mann sah sich als eine Art „Österreicher honoris causa“, immerhin sondierte er bei Kanzler Kurt Schuschnigg anlässlich einer von Alma Mahler-Werfel initiierten Audienz im Jahr 1936, ob er die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten könnte. Schlussendlich nahm er allerdings die tschechoslowakische und später die US-Staatsbürgerschaft an, was letztlich eine gute Entscheidung war.

Kommentar verfassen